Real:Work 2023 – Transformation in Arbeit

In Fortführung der Veranstaltungsreihe REAL:WORK richtet das ISF München in der Onlinetalk-Reihe 2023 „Transformation in Arbeit“ seinen Blick auf Veränderungen von Arbeit und Wertschöpfung sowie Konflikte in der Transformation. In drei Sessions focusieren namhafte Experten auf zukunftsfähige und nachhaltige Arbeitsgestaltung und fragen nach dem aktuell notwendigen Beitrag von Arbeitsforschung als Intermediär zwischen Wissenschaft und Praxis.

 

REAL:WORK 2021

 

SESSION I: KI UND ROBOTIK – TRANSFORMATION VON ARBEIT UND GESELLSCHAFT

Session I konzentriert sich auf die Einordnung der Rolle von Technik in der Transformation von Arbeit und Gesellschaft am Beispiel von „KI und Robotik“ entlang von drei Blöcken:

Block 1: KI und Gesellschaft (Moderation Dr. Michael Heinlein – ISF München)

KI-Mensch-Gesellschaft (KIMeGe): Die latenten sozialen Implikationen von KI – Dr. Michael Heinlein (ISF München)

Dr. Michael Heinlein wirft in seinem einführenden Vortrag die Frage nach Künstlicher Intelligenz als gesellschaftliches Phänomen auf und rückt das (arbeits-)soziologisch Interessante an KI in den Focus. Im Vordergrund stehen dabei die Wirkung von KI in sozialen Zusammenhängen als kontingenzerzeugende und selektive Technologie sowie die gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen, welche sich daraus ergeben.

KI und Gesellschaft (PPT)

Block 2: KI und Arbeit (Moderation Dr. Norbert Huchler – ISF München)

Arbeit mit KI – Dr. Norbert Huchler (ISF München)

Dr. Norbert Huchler betont zunächst, dass es neben Partizipation, betrieblicher Mitbestimmung, Leitsätzen und Leitplanken, Normierung und gesetzlicher Regulierung auch einer speziell auf KI ausgerichteten Arbeits- und Technikgestaltung bedarf. Für Letztere stellt er kurz das Konzept der „komplementären Arbeits- und Technikgestaltung“ und der „Koevolution“ vor und begründet die Möglichkeit und Notwendigkeit einer auf Teil-Differenz bzw. Hybridität basierenden „Arbeitsteilung“ zwischen Mensch und (automatisierter) Technik.

Arbeit mit KI (PPT)

Norbert Huchler
KI mitbestimmt gestalten – Dr. Detlef Gerst (IG Metall)

Dr. Detlef Gerst (IG Metall) entwickelt in seinem Vortrag, ausgehend von der These, dass es keine Einheitslösung zur Gestaltung von KI gibt, eine Perspektive, die die Nutzungskontexte von KI und die Arbeitsgestaltung in den Vordergrund rückt. Exemplarisch ausbuchstabiert wird diese Perspektive an einer Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und den Einsatz von Systemen der Künstlichen Intelligenz.

KI und Mitbestimmung (PPT)

KI und humane Arbeitsgestaltung – Prof. Dr. Tobias Kämpf (UoL)

Prof. Dr. Tobias Kämpf (University of Labour / ISF München) geht in seinem Vortrag drei miteinander verbundenen Fragen nach: Was steckt hinter dem Aufstieg von KI? Wie verändert sich durch KI die Arbeitswelt? Wie können wir KI nachhaltig gestalten? In diesem Zuge wird das Empowerment von Beschäftigten als ein zusätzlicher Erfolgsfaktor einer humanen Arbeitsgestaltung mit KI identifiziert.

KI und humane Arbeitsgestaltung (PPT)

Dr. Tobias Kämpf
Der mitbestimmte Algorithmus – Welf Schröter (FST)

Welf Schröter (Forum Soziale Technikgestaltung) stellte in seinem Vortrag das Konzept des mitbestimmten Algorithmus vor, das einen spezifischen Weg der vorausschauenden sozialen Arbeitsgestaltung mit Hilfe strukturierter Austauschprozesse von Beschäftigten und Führungskräften („moderierter Spezifikationsdialog“) beschreibt. Mehr Informationen dazu finden sich hier:

www.blog-zukunft-der-arbeit.de

www.blog-zukunft-der-arbeit.de/gestaltungshilfen

denk-doch-mal.de/welf-schroeter-der-mitbestimmte-algorithmus-ein-erweiternder-ansatz-zur-gestaltung-der-sogenannten-kuenstlichen-intelligenz

Block 3: Autonomisierung und Arbeit (Moderation Dr. Norbert Huchler – ISF München)

Robotik und KI – Ein-Blick in die Zukunft Dr. Freek Stulp (DLR)

Dr. Freek Stulp (Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum) ordnet aktuelle Entwicklungen an der Schnittstelle zwischen KI (v.a. NLP) und Robotik ein und prognostiziert spezifische Potenziale wie auch Grenzen. In der anschließenden Diskussion wird ein Blick in die Zukunft gewagt und diskutiert, wie stark der Impakt sowohl auf die Robotik wie auch auf die Arbeitswelt ausfallen wird.

Freek Stulp

SESSION II: FLEXIBLE HYBRIDE ARBEITSWELT DER ZUKUNFT

Moderation und Auftaktvortrag – Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München)

Die flexible hybride Arbeitswelt ist seit den jüngsten weit verbreiteten Erfahrungen zu Homeoffice in aller Munde. Der Trend scheint trotz laut werdender Rückrufe ins Büro unumkehrbar zu sein. Zeit näher anzusehen, welche Chancen und Schwierigkeiten damit einhergehen. Dazu verweist Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München) in ihrem Einführungsvortrag insbesondere auf das häufig vorgebrachte Argument der eingeschränkten Innovationskraft aufgrund mangelnder informeller Kooperation und Kommunikation im Unternehmen. Die Session II geht insgesamt der Frage nach, ob und wie die hybrid gestaltete Arbeitswelt als Mischung aus analoger und virtueller Arbeit ebenso wie aus mobiler Arbeit und Präsenztagen im Büro die Lösung für die sich bei Homeoffice herauskristallisierten Herausforderungen sein kann.

Einführung (PPT)

Verteilte agile Projektarbeit – Einblicke in eine etablierte Form hybrider Arbeit – Judith Neumer (ISF München)

Ihre Funktionalität beweist Remotearbeit nicht erst seit gestern. So ist beispielsweise die verteilte Projektarbeit eine langjährig erprobte Form für Remotearbeit und Zusammenarbeit in Präsenz. Judith Neumer (ISF München) hat agil und verteilt arbeitende Softwareentwicklungsteams untersucht und zeigt in ihrem Vortrag die dabei im Verlauf der Zeit gesammelten Erfahrungen auf. Daraus leitet sie Erkenntnisse für die Gestaltung hybrider Arbeit ab.

Verteilte agile Projektarbeit – Einblicke in eine etablierte Form hybrider Arbeit (PPT)

Hybride Arbeit und kooperativer Erfahrungstransfer – Booster Coronapandemie und Herausforderungen für die Wissensarbeit – Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München)

Homeoffice – sofern für jeweilige Arbeitstypen möglich – war während der Coronapandemie die physische Distanzierungsmaßnahme Nummer 1. Der Kreis der Homeoffice-Arbeitenden hat sich im Gegensatz zu vor der Pandemie erheblich erweitert. Damit sind Gestaltungsmöglichkeiten „guter (Homeoffice-)Arbeit“ zu einem noch dringlicheren Thema geworden. Eine wichtige Frage dabei ist, wie qualitativ hochwertig sich remote Wissens- bzw. Innovationsarbeit realisieren lässt. Zentral sind hierbei Fragen zu Möglichkeiten des Austausches von implizitem Erfahrungswissen („kooperativer Erfahrungstransfer“). Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München) geht dazu in ihrem Vortrag folgenden Fragen nach: Funktioniert kooperativer Erfahrungstransfer virtuell oder ist dieser bei digitaler Kommunikation begrenzt? Kann so etwas wie ein gemeinsamer virtueller Erfahrungsraum im Videomeeting entstehen? Welche Erfahrungen schildern Mitarbeiter, welche Konsequenzen werden in der Diskussion gezogen? Der Vortrag zeigt anhand des Beispiels Videomeetings auf, inwieweit und inwiefern es zu Grenzverschiebungen hin zu einem erfahrungsgeleiteten Arbeiten auch im virtuellen Raum kommt.

Hybride Arbeit und kooperativer Wissenstransfer (PPT)

Arbeiten mit Virtueller Realität (VR) – Erfahrungsaustausch und Kollaboration in virtuellen Räumen – Dr. Michael Heinlein und Dr. Norbert Huchler (ISF München)

Gemeinsam in einem virtuellen Raum zu agieren, ist eine weitere durch Digitalisierung ermöglichte Stufe der Zusammenarbeit. Wie das Arbeiten mit Virtueller Realität (VR) bzw. der Erfahrungsaustausch und die Kollaboration in virtuellen Räumen gestaltet werden kann, zeigt Dr. Norbert Huchler (ISF München) auf der Basis von zwei Forschungsprojekten zum Einsatz von Virtual Reality auf. Im Zentrum steht die Botschaft, dass virtuelle Räume eigenständige soziale Orte sind, die einerseits systematisch auf Daten, Informationen und Wissen aus der analogen Welt angewiesen sind, andererseits jedoch nach eigenen sozialen und handlungspraktischen Prinzipien funktionieren können, die sich aktuell noch neu konstituieren.

VR Erfahrungsaustausch und Kollaboration (PPT)

Stephanie Porschen-Hueck
Statementrunde

Prof. Dr. Nick Kratzer (ISF München), Ann-Christin Laux (Senior HR Development Expert), Dr. Nils Matzner (Universität Hamburg), Astrid Schmidt (ver.di), Markus Stöhr (TU München)

Dr. Nils Matzner (Universität Hamburg): Während Corona haben digitale/virtuelle Theaterangebote stark zugenommen, aber danach ebenso stark wieder abgenommen. Dies liegt vor allem daran, dass es starke Vorbehalte gegen digitale Darstellung im Theater gibt, vor allem bezogen auf die Distributionssphären. Als Kompromiss wäre Theater zumindest On-Sight zu produzieren, dabei erwachsen aber immer wieder technische Probleme und das Informelle auf der Bühne geht verloren. Auch der Mangel an IT-Fachkräften spielt eine Rolle, entsprechendes Personal zu bekommen ist nicht nur mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen schwierig. Theater hat von sich selbst die Vorstellung eines Live-Erlebnisses, um die Aura zu erhalten, sodass es bislang bis auf Nischenprojekte kaum digitales Theater gibt. https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sozoek/professuren/maasen/team/matzner.html / https://www.workpanrisk.uni-hamburg.de/willkommen.html 

Markus Stöhr (TU München): Das Selbstverständnis und die Identifikation von Pflegepersonal werden stark durch die körperliche Anwesenheit vor Ort geprägt. Pflege ist Interaktionsarbeit als Arbeit an und mit Menschen. Dies umschließt die Herstellung von Kooperation, Emotions- und Gefühlsarbeit als auch subjektivierendes Arbeitshandeln. Pflege digital und hybrid ist kaum möglich, der einzige Anwendungsfall hierfür erscheint die Administration zu sein. Aber selbst dort stellt man fest, dass die Arbeit vor Ort reichhaltigere Informationen bereithält und Anwesenheit für die Arbeit förderlich ist. Siehe hierzu das Projekt WorkPanRisk https://www.workpanrisk.uni-hamburg.de/willkommen.html sowie die Qualifikationsarbeit „Wandel der Arbeit im Krankenhaus infolge der COVID-19-Pandemie” https://mediatum.ub.tum.de/1617945. 

Ann-Christin Laux (Senior HR Development Expert): Virtuelle Beratung und Gespräche sind Standard geworden, neue Arbeitnehmer fragen aktiv danach, dass sie flexibel arbeiten können. Dabei hat sich herausgestellt, dass es typabhängig ist, wer wo wann und wie viel arbeiten möchte (Büro oder HO). Durch die Gestaltung von hybrider Arbeit erlangt man das Beste aus beiden Welten, und kann so auch die Arbeitswelt von morgen konzipieren. Dabei ist zu beachten, dass Kommunikation immer ein Problem innerhalb von Unternehmen darstellt, egal ob online oder offline, sie muss immer angepasst werden und es muss immer an ihr gearbeitet werden, genauso wie an der Führung. 

Astrid Schmidt (ver.di): Kollektive Regelungen für die Arbeitnehmer: innen sind notwendig, um für bessere Arbeitsbedingungen für alle zu sorgen. Beachtet werden sollten auch Gerechtigkeitsfragen: wer darf HO machen und wer kann HO machen? Zur Gestaltung der hybriden Arbeit macht es Sinn die Arbeitnehmer: innen direkt nach Verbesserungsmöglichkeiten zu fragen. Häufig haben sie die umsetzbarsten Lösungen, die die größte Akzeptanz mit sich bringen. Beim hybriden Arbeiten ist es zudem wichtig die Gestaltung des Gesamtarbeitsraumes zu beachten. So kann die Qualität des betrieblichen Arbeitsplatzes gesichert werden, virtuelle Zusammenarbeit gestaltet und die betriebliche Kommunikation erhalten bleiben. (https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/ueber-uns) Siehe auch „Handbuch Homeoffice“ von Astrid Schmidt und Christan Wille (2022) zu Gestaltungsfeldern und Anforderungen aus gewerkschaftlicher Sicht: https://www.verdi.de/++file++6398a44488879c2365e4cd62/download/Handbuch_Homeoffice.pdf 

Prof. Dr. Nick Kratzer (ISF München): Dezentrale Arbeitsplätze haben trotz aller Herausforderungen enormes Potenzial. Sie bieten sowohl den Firmen als auch den Beschäftigten mehr Optionen. So können Bedürfnisse erfüllt werden und die Arbeitsplätze danach variiert werden, je nachdem wie es das Leben gerade gebietet. Die Beschäftigten brauchen aber nicht nur Optionen, sondern auch die Autonomie, diese zu nutzen. Gearbeitet wird dann dort, wo die jeweilige Tätigkeit am besten geht: Die Bürotage lassen sich dann etwa für Interaktion verwenden und die konzentrierte Einzelarbeit kann auch von woanders gemacht werden. So ist trotz dezentraler Arbeitsplatzgestaltung kooperativer Erfahrungstransfer möglich. Ein weiterer Vorteil: Die Ballungsräume könnten entlastet werden: Die Firma bleibt in der Stadt, aber die Mitarbeiter müssen nicht mehr in der Stadt selbst wohnen. (https://www.isf-muenchen.de/mitarbeiter/nick-kratzer/).  

Nils Matzner
Markus Stöhr
Astrid Schmidt
Nick Kratzer

SESSION III: DIGITALE VERNETZUNG UND HUMANE ARBEITSGESTALTUNG

Moderation – Judith Neumer, Tobias Ritter (ISF München)

Arbeit wird zunehmend mit digitalen Technologien durchdrungen, so dass Unternehmen, Arbeitsbereiche und Arbeitsprozesse auf immer komplexere Weise miteinander digital vernetzt werden. Dies geht mit neuen Chancen und Entlastungspotenzialen einher, aber auch mit zunehmenden Anforderungen und Belastungsrisiken. In der Session III wurden empirische Ergebnisse und konzeptuelle Überlegungen zur digitalen Vernetzung von Arbeit und damit zusammenhängenden Implikationen für Humanisierung und Gute Arbeit diskutiert.

Digital gerahmte Interaktionsarbeit: Anforderungen, Belastungen, Gestaltungsperspektiven – Dr. Margit Weihrich (Universität Augsburg) und Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München)

Dr. Margit Weihrich (Universität Augsburg) und Dr. Stephanie Porschen-Hueck (ISF München) gingen in ihrem Vortrag auf die besondere Arbeitsgestaltung ein, die Interaktionsarbeit benötigt. Für diese gibt es einen Bedarf zur Modifizierung und Erweiterung der Gestaltungsgrundsätze humaner Arbeit. Das wurde mit Blick auf Nebenfolgen der Formalisierung und Digitalisierung der Interaktionsarbeit verdeutlicht. Eine Nebenfolge stellen Unterbrechungen dar, mit denen Beschäftigte und Unternehmen einen Umgang finden müssen. Mit der präsentierten UMDIA-App (https://umdia-toolbox.netlify.app/start) wurden hierfür Hilfestellungen angeboten.

Digital gerahmte Interaktionsarbeit (PPT)

Einblicke in die Forschungswerkstatt: Wie erleben Beschäftigte die Transformation? – Thomas Lühr (ISF München)

Unternehmen verändern sich aktuell in vielfältigen Aspekten, so sind Beschäftigte beispielsweise mit neuen Technologien, Arbeitsformen und Kompetenzanforderungen konfrontiert. Thomas Lühr (ISF München) berichtete aus aktuellen qualitativen und quantitativen Erhebungen zum Transformationserleben von Beschäftigen. Dieses ist selbst vielfältig und herausfordernd, es reicht von Aufbruchserleben über Erfahrungen eines stetigen Ringens um Zukunft bis hin zu Abstiegsängsten und bewegt sich in einem Spannungsfeld von Autonomie- und Belastungspotenzialen. Weiterbildung und Partizipation sind vor diesem Hintergrund als zentrale Aspekte Guter Arbeit ebenfalls zentral für eine gelungene Transformation.

Transformation erleben (PPT)

Dipl.-Pol. Thomas Lühr
Digital vernetzte Arbeit – Belastungsanalyse und konzeptuelle Überlegungen zu Humanisierung und Guter Arbeit – Judith Neumer und Tobias Ritter (ISF München)

Moderne Arbeit fand schon immer in inner- und überbetrieblicher Vernetzung statt. Seit geraumer Zeit und aktuell mit zunehmender Geschwindigkeit und immer markanteren Auswirkungen auf Arbeitsprozesse wird vernetzte Arbeit digitalisiert. Digital vernetzte Arbeit weist spezifische Dimensionen und Merkmale auf und geht mit konkreten Anforderungen, Belastungen und Gesundheitsrisiken einher. Judith Neumer und Tobias Ritter (beide ISF München) erläuterten dies anhand qualitativer empirischer Untersuchungsergebnisse und verwiesen auf Herausforderungen für eine humane Arbeitsgestaltung sowie die empirische Beurteilung Guter Arbeit bei digitaler Vernetzung.

Digital vernetzte Arbeit (PPT)

Interview: Erfordert digitale Vernetzung eine andere Humanisierung der Arbeit? – Im Gespräch mit Prof. Dr. Fritz Böhle (ISF München / Uni Augsburg)

Fritz Böhle (ISF München / Uni Augsburg) resümiert vor dem Hintergrund der seit den 1970er Jahren geführten Debatte um die Humanisierung des Arbeitslebens und mit Blick auf die in den Vorträgen erläuterten Untersuchungen und Erkenntnisse: 

Neue Arbeitsbelastungen bei digitaler Vernetzung können nicht einfach zu bekannten Belastungen hinzuaddiert werden. Die Dynamiken digitaler Vernetzung implizieren völlig neue Belastungsbilder, die nicht mehr anhand einzelner belastender Faktoren von Arbeit, Technik und Organisation betrachtet werden können, sondern die als komplexe Belastungskonstellationen analysiert und bewertet werden müssen.

Im Rahmen dieser komplexen Belastungskonstellationen reicht die Dimension „psychische Belastung“ zur Analyse nicht mehr aus. Vielmehr spielen neue und gesteigerte mentale Anforderungen eine zentrale Rolle bei digitaler Vernetzung, deren Auswirkungen auch psychischer Natur sein können, die sich jedoch mindestens ebenso drastisch in einem „mental load“ äußern, der Stress und Belastung erzeugt. Durch die Digitalisierung entstehen zudem besondere mentale Belastungen durch die Darstellung von Informationen in Zeichen und Worten, denn dies erfordert eine permanente bewusste Aufmerksamkeit. Eine intuitiv-erfahrungsgeleitete Wahrnehmung von Informationen wie in der physischen Welt wird erschwert. Damit entsteht eine ‚geistige Erschöpfung‘ auch wenn der fachliche Inhalt der Arbeit keine besonderen Anforderungen stellt bzw. gut bewältigt werden kann. Die Arbeitsgestaltung muss sich daher nicht nur mit dem Inhalt und dem Ausmaß von Informationen (Informationsüberflutung etc.) befassen, sondern vor allem auch damit, wie Informationen dargestellt und verfügbar gemacht werden.

Vor diesem Hintergrund muss Arbeitsgestaltung wieder zwingend mit Fragen der Arbeitszeit gekoppelt werden. Mentale Anforderungen führen ebenso zu Ermüdungserscheinungen wie körperliche Belastungen und können nicht dauerhaft auf höchstem Niveau bedient werden.
Auch der Gesundheitsschutz ist vor neue Herausforderungen gestellt. Er muss selbst heterogener und differenzierter werden, um paradoxen Gleichzeitigkeiten in einer digital vernetzten Arbeitswelt entsprechen zu können. So muss sowohl Über- als auch Unterforderungen präventiv, aber auch situativ und kurativ etwas entgegengesetzt werden.

Arbeitsanalyse, Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz stehen also vor großen Aufgaben. Es wird immer deutlicher, dass diese ohne die Expertise der Betroffenen, also derjenigen, die digital vernetzt arbeiten, nicht bewältigt werden können. Partizipation in Forschung und Gestaltung sind für eine Humanisierung der Arbeit, die aktuelle Probleme und Anforderungen ernst nimmt, unerlässlich.